Neuwertentschädigung: Rabatt für „Menschen mit Behinderung“ ist bei Entschädigung anzurechnen

| Erhält der Geschädigte beim Kauf eines Fahrzeugs einen Rabatt in Höhe von 15 Prozent, den der Fahrzeug-Hersteller „Menschen mit Behinderung“ ohne Verhandlungen gewährt, ist dieser Rabatt auf die Neuwertentschädigung anzurechnen. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. |

Führt ein Verkehrsunfall zu einem erheblichen Schaden an einem Fahrzeug mit weniger als 1.000 km Laufleistung und weniger als einem Monat Nutzungszeit, erhält der Geschädigte eine sog. Neuwertentschädigung. Das heißt: Die Versicherung des Unfallverursachers zahlt den Neupreis. Im Fall des BGH stellte sich wie häufig die Frage, ob der Rabatt, den der Geschädigte aufgrund seiner Behinderung beim Autokauf erhalten hatte, auf die Entschädigung anzurechnen ist.

Der Geschädigte meinte, der Hersteller wolle ihm mit dem Rabatt etwas Gutes tun, und nicht dem Unfallverursacher. Dessen Versicherer verwies auf die ältere BGH-Rechtsprechung zum Werksangehörigenrabatt, der angerechnet werden muss. In der aktuellen Entscheidung argumentierte der BGH zudem, dass der Geschädigte nicht am Unfall verdienen soll. In seinem Vermögen befindet sich nicht nur wie vor dem Unfall ein Neufahrzeug, sondern zusätzlich ein Geldbetrag in Höhe des Rabatts, den er auch für das nach dem Unfall angeschaffte Ersatzfahrzeug erhalten hatte. Dem steht nicht entgegen, dass der bei dem Kauf des Wagens eingeräumte Rabatt auf diese Weise dem ersatzpflichtigen Schädiger zugutekommt.

Quelle | BGH, Urteil vom 14.7.2020, Az. VI ZR 268/19, Abruf-Nr. 217178 unter www.iww.de.

Berechnung der Verzugszinsen

| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 beträgt -0,88 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht / Basiszinssätze
ZeitraumZinssatz
01.01.2020 bis 30.06.2020-0,88 Prozent
01.07.2019 bis 31.12.2019-0,88 Prozent
01.01.2019 bis 30.06.2019-0,88 Prozent
01.07.2018 bis 31.12.2018-0,88 Prozent
01.01.2018 bis 30.06.2018-0,88 Prozent
01.07.2017 bis 31.12.2017-0,88 Prozent
01.01.2017 bis 30.06.2017-0,88 Prozent
01.07.2016 bis 31.12.2016-0,88 Prozent
01.01.2016 bis 30.06.2016-0,83 Prozent
01.07.2015 bis 31.12.2015-0,83 Prozent
01.01.2015 bis 30.06.2015-0,83 Prozent
01.07.2014 bis 31.12.2014-0,73 Prozent
01.01.2014 bis 30.06.2014-0,63 Prozent
01.07.2013 bis 31.12.2013-0,38 Prozent
01.01.2013 bis 30.06.2013-0,13 Prozent
01.07.2012 bis 31.12.20120,12 Prozent
01.01.2012 bis 30.06.20120,12 Prozent
01.07.2011 bis 31.12.20110,37 Prozent
01.01.2011 bis 30.06.20110,12 Prozent
01.07 2010 bis 31.12.20100,12 Prozent
01.01.2010 bis 30.06.20100,12 Prozent
01.07 2009 bis 31.12.20090,12 Prozent
01.01.2009 bis 30.06.20091,62 Prozent
01.07.2008 bis 31.12.20083,19 Prozent
01.01.2008 bis 30.06.20083,32 Prozent
01.07.2007 bis 31.12.20073,19 Prozent
01.01.2007 bis 30.06.20072,70 Prozent
01.07.2006 bis 31.12.20061,95 Prozent
Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 09/2020

| Im Monat September 2020 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |

Steuertermine (Fälligkeit):

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 14.9.2020. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden

Monats fällig, für den Beitragsmonat September 2020 am 28.9.2020.

Abschleppkosten: Wie scharf muss eine scharfe Kurve sein?

| Das Halten im Bereich von scharfen Kurven ist verboten. Das musste jetzt ein Autofahrer teuer lernen. |

Der Kläger eines beim Verwaltungsgericht (VG) München anhängigen Verfahrens hatte sich gegen die Kosten des Abschleppens seines geparkten Pkw gewendet. Er war der Meinung, er habe verkehrsgerecht geparkt. Bei dem Bereich, in dem er seinen Pkw abgestellt hat, habe es sich nicht um eine scharfe Kurve gehandelt, sondern um einen weitgezogenen Bogen. Eine scharfe Kurve wäre nur gegeben, wenn dort ein parkendes Fahrzeug ein unvermutetes Hindernis für den Straßenverkehr darstellen würde.

Das VG hat das anders gesehen: Denn die Straße verlief an der Stelle, an der das klägerische Fahrzeug geparkt war, im 90°-Winkel. Aufgrund des Radius des Straßenverlaufs ist dies eine scharfe Kurve. Zudem sei für den einzelnen Verkehrsteilnehmer aufgrund der gesamten Gestaltung des Kurvenbereichs auch erkennbar gewesen, dass der Kurvenbereich von haltenden Fahrzeugen freizuhalten ist, um eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch haltende Fahrzeuge und die durch diese bedingten Brems- und Ausweichmanöver auszuschließen.

Quelle | VG München, 28.4.2020, M 7 K 18.5617, Abruf-Nr. 216410 unter www.iww.de.

Unfallschaden: Abrechnung von Reparaturkosten nach Kostenvoranschlag?

| Der Unfallgeschädigte wollte ohne teures Schadensgutachten allein auf der Basis eines Kostenvoranschlags den Unfallschaden abrechnen. Das hätte dem gegnerischen Haftpflicht-Versicherer Geld gespart. Doch der wollte nicht. Und bekam vom Amtsgericht (AG) Recklinghausen Recht. |

Was war passiert? Das AG hat die Klage als „unschlüssig“ abgewiesen, weil der Unfallschaden nur anhand des Kostenvoranschlags nicht hinreichend dargelegt sei. Hierfür wäre ein Gutachten erforderlich gewesen. Im Kostenvoranschlag fanden sich z. B. keine Angaben zum Wiederbeschaffungs-, Rest- und Minderwert, was das AG ebenfalls bemängelt hatte. Die Entscheidung ist allerdings umstritten.

Quelle | AG Recklinghausen, Urteil vom 29.4.2020, 53 C 113/19, Abruf-Nr. 217021 unter www.iww.de.

Fahreignungsmangel: Entzug der Fahrerlaubnis wegen Konsums harter Drogen

| Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts (VG) Aachen reicht allein der einmalige Konsum einer harten Droge (z. B. Kokain) aus, um die Fahreignung zu verneinen und die Fahrerlaubnis zu entziehen. Eine Teilnahme am Straßenverkehr ist nicht erforderlich. |

Doch was, wenn der Fahrerlaubnisinhaber behauptet, er habe die Drogen unbewusst eingenommen? Hierzu jetzt das VG Lüneburg: Der Fahrerlaubnisinhaber muss in diesen Fällen einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt darlegen, der einen solchen Geschehensablauf als nachvollziehbar und ernsthaft möglich erscheinen lässt. Das gelte vor allem, wenn behauptet werde, das bei ihm festgestellte Benzoylecgonin rühre von einem Konsum des Getränks „Red Bull Cola“ her. Dieser Argumentation folgte das VG Lüneburg hier nicht.

Quelle | VG Aachen, Beschluss vom 19.5.2020, 3 L 309/20, Abruf-Nr. 216408 und VG Lüneburg, Beschluss vom 18.5.2020, 1 B 19/20, Abruf-Nr. 216409 unter www.iww.de.

Trunkenheit I: 1,1-Promille-Grenze gilt nicht für „Pedelecs“

| Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe sieht derzeit keine gesicherten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse dafür, dass Fahrer von „Pedelecs“ mit einer Begrenzung der motorunterstützten Geschwindigkeit auf 25 km/h bereits unterhalb der für Fahrradfahrer geltenden Grenze von 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration absolut fahruntüchtig sind. Die vom Bundesgerichtshof festgelegte Grenze, wonach der Führer eines Kfz bereits von einem Blutalkoholgehalt von 1,1 Promille an unwiderleglich fahruntüchtig und wegen Trunkenheit im Verkehr zu bestrafen ist, ist daher auf solche „Pedelecs“ nicht anzuwenden. |

Im Fall des OLG war der Fahrer eines „Pedelecs“ mit einer auf seinen Fahrweg einbiegenden Fahrradfahrerin kollidiert, die seine Vorfahrt missachtet hatte. Dabei hatte er 1,59 Promille im Blut.

Die Beweise reichten nicht für die einzelfallbezogene Feststellung aus, dass der Angeklagte deshalb alkoholbedingt nicht mehr zum Führen des Fahrzeugs in der Lage war. Eine Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr unter dem Gesichtspunkt der relativen Fahruntüchtigkeit (Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,3 Promille bei Hinzutreten alkoholtypischer Ausfallerscheinungen) kommt deshalb nicht in Betracht. Eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG (Führen eines Kraftfahrzeugs mit mindestens 0,25 Milligramm je Liter Alkohol in der Atemluft oder mindestens 0,5 Promille Alkohol im Blut) liegt ebenfalls nicht vor, weil handelsübliche „Pedelecs“ mit einer Begrenzung der motorunterstützten Geschwindigkeit auf 25 km/h keine Kraftfahrzeuge im Sinne des Straßenverkehrsrechts sind (§ 1 Abs. 3 StVG).

Beachten Sie | Das Amtsgericht Staufen und das LG Freiburg haben den Angeklagten freigesprochen. Gegen das freisprechende Urteil des LG hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, die jetzt dem OLG Karlsruhe zur Entscheidung vorliegt. Dieses hat aber noch nicht endgültig entschieden, da die Beteiligten noch Gelegenheit zur Stellungnahme haben. Das OLG hat den die Sach- und Rechtslage daher nur vorläufig beurteilt.

Quelle | OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.7.2020, 2 Rv 35 Ss 175/20, Abruf-Nr. 217111 unter www.iww.de.

Trunkenheit II: Deutlich überhöhte Geschwindigkeit als Anzeichen einer relativen Fahruntüchtigkeit

| Das Landgericht (LG) Hechingen hat bestätigt: Fährt der Beschuldigte mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,01 Promille und deutlich überhöhter Geschwindigkeit, kann ihm die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen sein. |

Dem LG hat aber die deutlich überhöhte Geschwindigkeit nicht gereicht, um eine relative Fahruntüchtigkeit anzunehmen. Denn die Angabe beruhte lediglich auf Schätzungen der Polizeibeamten. Es hat auch berücksichtigt, dass der Beschuldigte spät nachts eine zu dieser Zeit wenig befahrene Strecke befuhr und sich auf dem Heimweg befand. Dies verleitet zwar regelmäßig auch nüchterne Straßenverkehrsteilnehmer zu der fälschlichen Annahme, sich über die geltenden Geschwindigkeitsbegrenzungen hinwegsetzen zu dürfen.

Es lagen aber weitere Auffälligkeiten vor, die nach Auffassung des LG die (vorläufige) Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigen:

Quelle | LG Hechingen, Beschluss vom 22.6.2020, 3 Qs 45/20, Abruf-Nr. 217107 unter www.iww.de.

Immobilienkaufvertrag: Wertstoffsammelstelle in der Nähe einer Eigentumswohnung kein Sachmangel

| Die Kläger hatten eine Eigentumswohnung von den Beklagten erworben. Die Stadt errichtete auf einer gegenübergelegenen Freifläche, von den Verkäufern in Verkaufsprospekt und -verhandlungen „Piazza“ genannt, in etwa 20 Metern Abstand eine Containeranlage zur Wertstoffentsorgung (Altglas, Altpapier). Die Verkäufer hatten die Anlage zwar weder im Verkaufsprospekt, den Verkaufsverhandlungen noch auf der Website der Beklagten jemals erwähnt. Die Käufer meinten, die Anlage stelle einen Mangel des Kaufvertrags dar. Wohnwert und Brauchbarkeit seien erheblich beeinträchtigt. Sie verfolgten ihre Ansprüche bis zum Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf erfolglos. |

Die Wertstoffsammelstelle begründe, so das OLG, keinen Sachmangel der Kaufsache. Die damit einhergehenden Beeinträchtigungen (Geräusche durch das Herabfallen der Flaschen und Metallklappen) seien als sozialadäquat hinzunehmen, selbst in Wohngebieten mit gehobenen Preisen. Denn auch hier müsse die Abfallentsorgung sichergestellt sein. Zudem hatte die Stadt die Containeranlage im Einklang mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet. Deren Abstand zu Wohngebäuden war sogar größer als verwaltungsrechtlich empfohlen.

Quelle | OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.1.2020, I-21 U 46/19, Abruf-Nr. 215153 unter www.iww.de.

Fluggastrechte: Randalieren kann „außergewöhnlicher Umstand“ sein

| Randaliert ein Fluggast während des Flugs und es kommt zu einer Verspätung, die dem Grunde nach entschädigungspflichtig wäre, ist dies nicht Teil des regulären Flugbetriebs. Die Fluggesellschaft kann sich in diesem Fall auf anspruchsausschließende „außergewöhnliche Umstände“, vorliegend: Sicherheitsrisiken, berufen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden.|

Allerdings knüpft der EuGH dies an enge Voraussetzungen für die Fluggesellschaft: Das Verhalten des Randalierers darf nicht durch die Fluggesellschaft provoziert worden sein. Die Fluggesellschaft konnte den Vorfall nicht vorhersehen. Eine „zumutbare, zufriedenstellende und frühestmögliche anderweitige Beförderung“ war der Fluggesellschaft nicht möglich.

Beachten Sie | Auch wenn die Fluggesellschaft nicht haftet, besteht gegebenenfalls ein Anspruch gegen den randalierenden Passagier selbst in Form einer Schadenersatzpflicht.

Quelle | EuGH, Urteil vom 11.6.20, C 74/19, Abruf-Nr. 217429 unter www.iww.de.