Ausgestreckter Mittelfinger: Außerordentliche Kündigung? Auf die Umstände kommt es an!
Ausgestreckter Mittelfinger als Beleidigung
Die fotografisch festgehaltene Geste eines Flugzeugkapitäns, der am Ende des letzten regulären Flugeinsatzes an der von seinem Arbeitgeber geschlossenen Station nach Landung und Räumung des Flugzeugs mit seiner Crew gemeinsam den ausgestreckten Mittelfinger in Richtung Kamera hält, kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung begründen. Das entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf.
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf
Das LAG betonte, dass es entscheidend darauf ankommt, ob die Geste nachweislich gegen den Arbeitgeber gerichtet und somit beleidigend gemeint ist. In einem solchen Fall kann die außerordentliche Kündigung durchaus gerechtfertigt sein.
Symbolische Geste oder unangemessenes Verhalten?
Allerdings führte das Gericht auch an, dass die Intention und der Kontext der Geste berücksichtigt werden müssen. Sollte die ausgestreckte Hand mit dem Mittelfinger vielmehr als symbolischer Protest gegen die Auswirkungen der Corona-Pandemie gemeint sein, die zur Schließung der Flugzeugbasis und dem Verlust der Arbeitsplätze geführt hat, wäre eine außerordentliche Kündigung nicht unbedingt gerechtfertigt. Hierbei handelt es sich um ein noch vorliegendes unangemessenes Verhalten, jedoch mit einer anderen Bedeutung.
Berücksichtigung der Unternehmenskultur
Das Landesarbeitsgericht wies auch auf ein interessantes Detail hin: In der Firmenzentrale des Arbeitgebers befindet sich ein Wandbild mit einer Seniorin, die beide Mittelfinger ausstreckt. Dies könnte darauf hindeuten, dass der Arbeitgeber selbst eine gewisse Lockerheit oder Toleranz gegenüber derlei Gesten zeigt. In Anbetracht dieser Tatsache wird die Situation noch komplexer und erfordert eine genaue Prüfung.
Die Bedeutung der Umstände
In Fällen solcher Streitigkeiten müssen die Arbeitsgerichte sorgfältig die Umstände, die Intentionen und die mögliche Toleranz des Arbeitgebers abwägen, um eine angemessene Entscheidung zu treffen. Es ist ratsam, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen solche sensiblen Situationen vorab klären und gegebenenfalls auf andere Weise den Dialog suchen, um Konflikte zu vermeiden. Denn letztendlich hängt eine außerordentliche Kündigung aufgrund von Verhaltensweisen immer von den spezifischen Gegebenheiten und der Interpretation ab.
Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 5.4.2022, 3 Sa 364/21